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Schalömche un Alaaf

1700 Jahre jüdisches Leben im Kölner Rosenmontagszug

Foto: Graf und Gräfin Constantin und Ulrike von Hoensbroech
78 Wagen und Gruppen, insgesamt 12 000 Teilnehmer auf neun Kilometern Fußweg in gut sechs Stunden, über eine Million Zuschauer am Wegesrand und Millionen an den in- und ausländischen Rundfunk- und Fernsehgeräten; mittendrin im karnevalistischen Treiben beim Kölner Rosenmontagszug: der Festwagen und die Fußgruppe mit der Ordnungsnummer 57.

Das kölner Dreigestirn 2023

In der „Kölner Rosenmontagszeitung“, die in den Tagen vor dem Höhepunkt der fünften Jahreszeit den Tageszeitungen beilag, stand bei der Auflistung der Gruppen, Musikkapellen und Persiflagewagen unter dieser Nummer lediglich „Festkomitee Kölner Karneval von 1823 e. V.“ – ein Platzhalter. Doch für wen? Diese spannende Frage wurde erst kurz vor Beginn des Umzugs beantwortet: Es handelte sich um den Festwagen und die Fußgruppe „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Der Wagen war bereits 2021 gebaut worden. Pandemiebedingt fand damals jedoch kein Rosenmontagsumzug statt, im vergangenen Jahr fiel er wegen des Ukraine-Kriegs aus.

„Dank der Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Festkomitees Kölner Karneval können wir uns nun als Verein mit einem Festwagen und einer Fußgruppe am Rosenmontagszug in Köln beteiligen und zeigen: Wir sind Teil dieser Stadt und stolz darauf, dass wir alle gemeinsam traditionell Karneval feiern“, freute sich Ruth Schulhof-Walter, ehemaliges Vorstandsmitglied des Vereins „321 – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V.“, und ergänzte: „Genau so habe ich mir die Ergebnisse meiner Arbeit vorgestellt. Das ist ein Erfolg für alle, die daran beteiligt waren!“

Andrei Kovacs, ehemaliger leitender Geschäftsführer des Vereins, hob hervor: „Der organisierte Kölner Karneval hat eine 200-jährige Tradition; viele Juden haben ihn von Beginn an aktiv mitgestaltet. Mit dem Festwagen und unserer Fußgruppe zeigen jüdische und nicht-jüdische Karnevalsfreunde: Juden leben seit über 1700 Jahren in Köln – Schalom und Alaaf!“

Vorstand Bettina Levy und Dr. Felix Schotland

Rund 70 Personen gehörten zur jüdischen Gruppe. Etwa 20 Personen befanden sich auf dem einer Menora nachempfundenen Wagen, aus dem ein siebenarmiger bunter Baum erwächst. „Schalömche un Alaaf! 1700 Jahre fest verwurzelt in Deutschland“ lautet treffend die plakative Aufschrift zu beiden Seiten des fröhlichen Wagens. Die Fußgruppe bildeten 50 Personen bestehend aus ehemaligen Vereinsmitarbeitern, Freunden, Förderern, Sponsoren sowie Mitgliedern des jüdischen Karnevalsvereins „Kölsche Kippa Köpp“. Alle trugen glitzernde Paillettenjacketts und Zylinder in verschiedenen Farben und den diesjährigen Mottoschal „Ov krüzz oder quer“. Einen besonderen Gänsehautmoment gab es bei der Aufstellung vor dem Start auf die Strecke: Denn der Wagen war nur wenige Meter von jenem Mahnmal entfernt positioniert, das daran erinnert, dass sich in der Zeit des Nationalsozialismus hier einstmals unter anderen ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald befunden hatte. Zudem war hier die Sammelstelle für die Deportationszüge in die Vernichtungslager.

Der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, würdigte die Bedeutung der Teilnahme mit den Worten: „Gerade im Jahr des 200. Jubiläums des Kölner Karnevals ist uns wieder einmal bewusst geworden, wie sehr auch das Festkomitee sich in der Nazi-Zeit hat instrumentalisieren lassen. Sogar im damaligen Rosenmontagszug wurde gegen jüdische Mitbürger gehetzt. Umso wichtiger ist es, dass wir heute daran erinnern, das jüdisches Leben seit 1700 Jahren in Deutschland fest verwurzelt ist. Heute werden wir diese jahrhundertealte gemeinsame Geschichte miteinander feiern.”

Prominentester Teilnehmer auf dem Festwagen war der amtierende Botschafter des Staates Israel in Deutschland, Ron Prosor. „Karneval habe ich bereits in meiner Zeit an der israelischen Botschaft in Bonn kennen und lieben gelernt.“ Dort war der Diplomat von 1988 bis 1992 Botschaftssprecher. „Es war für mich eine unbeschreibliche Freude, auf diesem Wagen mitfahren zu dürfen und die Begeisterung der Menschen am Streckenrand zu erleben.“ Die Teilnahme von Juden am Rosenmontagszug sei laut des Botschafters auch ein Beleg dafür, „dass es wieder viele jüdische Gemeinden gibt, für die Deutschland eine Heimat ist“.

Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, genoss die Fahrt auf dem Festwagen durch die Rheinmetropole: „Wir haben sehr viel Empathie erfahren und oftmals begeisterten Zuspruch erhalten.“ Lehrer, auch Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln, fasst zusammen: „Das ist für uns ein tolles Zeichen!“

von: Graf und Gräfin Constantin und Ulrike von Hoensbroech